Warum eigentlich…Prototyping?

Ux Designer arbeitet an einem Prototypen und sieht die Prototyp-Übersicht vor sich

Mit Prototypen zur erfolgreichen Software-Entwicklung

Der Schritt von alter Software zu neuen Produkten gestaltet sich häufig als Herausforderung. Es kommen viele Fragen und vielleicht auch Zweifel auf. Wo fangen wir an? Welche Features sind die Wichtigsten? Wird die Zielgruppe das neue Produkt annehmen? Kann das (neue) Projekt die Stakeholder überzeugen? Fühlt sich das Entwicklerteam in der Lage die Vision in die Tat umzusetzen? Und wie bekommt der Kunde bereits ein Gefühl für das neue Projekt, bevor es fertig entwickelt ist? Und noch viele Weitere.

Um einen ersten Impuls zu setzen und eine innovative Software-Idee erlebbar zu machen, eignet sich ein Prototyp. Hierbei können Antworten auf die oben genannten Fragen und viele weitere Erkenntnisse gesammelt werden. Die Vision eines Projektes wird sofort greifbar – Ganz ohne die Notwendigkeit „großer“ Entwicklungsaufwände.

Was ist ein Prototyp?

Ein Prototyp ist in erster Linie eine Visualisierung der Interaktionen, der zu entwickelnden Anwendung. Dies können sowohl einzelne Features sein, als auch die ganze Vision. Diese Visualisierung kann in mehreren Ausbaustufen erfolgen. In der Regel wird für einen Prototypen keine Entwicklung (Software-Development) benötigt.

Je nach Stufe und Budget lassen sich zur Erstellung verschiedene Software-Tools nutzen. Stellvertretend sind hier Balsamiq Wireframes, Adobe XD, Sketch, Penpot, Axure und Figma zu nennen.

  • Stufe 1
     oder Paper Prototype → hauptsächlich zur Kommunikation erster Ideen, sowie grober Layouts und Content-Absprache

  • Stufe 2
    Low Fidelity Prototype → Interaktives Wireframe, welches vor allem Prozesse und Workflows darstellt und testbar macht

  • Stufe 3
    High Fidelity Prototype → Kann eine Prozesskette mit unterschiedlichen Use Cases abbilden, Schnittstellen zwischen Nutzern in unterschiedlichen Rollen simulieren und dabei gleichzeitig ein „echtes“ Gefühl für das spätere Produkt vermitteln

  • Stufe 4
    HTML Prototype → Statische Anwendung ohne Datenschnittstellen, umgesetzt mit HTML/CSS/JS (Für diese Stufe ist Entwicklungskompetenz in den genannten Bereichen notwendig!)

Welcher Prototyp passt am Besten?

Was unbedingt vorher klar entschieden werden sollte, ist das Ziel des Prototypen. Um das Ziel so klar wie möglich zu formulieren, wird eine konkrete Fragestellung formuliert, welche dann mit Hilfe des Prototypen (und weiteren Methoden wie z.B. User Testing) beantwortet werden kann. Denn ähnlich wie bei vielen anderen Methoden aus dem Projektmanagement und dem UX/UI Design, bringt einem das Artefakt – in unserem Fall also der Prototyp – nicht viel, wenn es lediglich in der Schublade landet. Ebenso ist es wichtig vorher zu überlegen was erreicht werden soll, denn nur so kann das vorhandene Budget für die richtigen Workshops, Kompetenzen und eben auch den „richtigen“ Prototyp genutzt werden. Wie oben bereits beschrieben, können Prototypen in unterschiedlichen Ausbaustufen entwickelt werden.

Alle Stufen haben unterschiedliche Möglichkeiten in ihrer Verwendung und somit auch verschiedene Fragestellungen die damit zielgerichtet beantwortet werden können. Je nach Projektphase können noch weitere Entscheidungsfaktoren eine Rolle spielen. Mit jeder Stufe des Prototypings können User Tests durchgeführt werden. Diese müssen dann jedoch entsprechend der Fragestellung und des zur Verfügung stehenden Materials geplant und durchgeführt werden.

Hier ein paar Beispiele für Entscheidungen hinsichtlich der verschiedenen Arten von Prototypen:

Green Field

Ein neues Produkt soll gestartet werden, und die Stakeholder haben eine klare Vision, kämpfen jedoch damit, diese greifbar zu machen und andere von der Idee zu überzeugen. Zudem soll das Produkt mit Endnutzern getestet werden, um konkretes Feedback für die Projektplanung zu erhalten und das Risiko einer misslungenen Markteinführung zu minimieren.

Unsere Empfehlung: Stufe 2 – Low Fidelity Prototype + ausgewählte Design Screens

Ein Low Fidelity Prototype hilft, erste Interaktionswege und Prozesse zu testen, während Design-Screens das spätere Produkt visualisieren und einen ersten Wow-Effekt erzielen können. Nach einer ersten Iteration dieser Ergebnisse kann ein High Fidelity Prototype entwickelt werden.

Verbesserung Bestands-Software (Usbaility Quick Wins)

Es gibt ein „Alt“-Produkt, das verbessert werden soll, aber noch nicht genügend Budget oder Gründe für ein komplett neues Produkt bestehen. Der Prototyp soll zeigen, ob kleinere Änderungen ausreichen, um die UX des Altprodukts zu verbessern, ohne größere technische Eingriffe.

Unsere Empfehlung: Stufe 3 – High Fidelity Prototype für dedizierte Use Cases, die Neuerungen verdeutlichen

Oft geht es auch um das Look & Feel eines veralteten Produkts. Ein High Fidelity Prototyp, der technische Machbarkeiten berücksichtigt, kann als Entscheidungsgrundlage dienen und zeigen, dass kleinere Anpassungen ausreichen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Messe Showcase/Marketing

Ein neues Produkt/Projekt soll bald starten. Die Vision ist grob abgestimmt und es steht fest: Das Produkt soll schnell und mit Wow-Effekt präsentiert werden – zum Beispiel auf Messen, Webinaren oder Konferenzen.

Unsere Empfehlung: Stufe 3 – High Fidelity Prototyp entlang eines Storyboards

Der Prototyp wird mit seinem Look & Feel präsentiert und vermittelt die Illusion, bereits funktionsfähig zu sein. Spezifische Klickstrecken werden durchgeplant, um die Verkaufsgeschichte optimal zu unterstützen. Die Vision des Produkts wird eingefangen und dient als Grundlage, um Features zu priorisieren und das Team zu inspirieren. Achtung: Dies ist keine vollständige Ausarbeitung für die direkte Entwicklung, UI und UX benötigen weiterhin Arbeit.

Wann ein Prototyp (noch) nicht der richtige Weg ist …

Genauso wie es viele Situationen und Projektmomente gibt, wo ein Prototyp genau die richtige Lösung ist, gibt es einige Faktoren, die darauf hinweisen, dass ein Prototyp nicht der richtige Weg sein könnte. Wenn einer oder mehrere dieser Punkte zutreffen, sollten von der Projektsteuerung ggfls. Schritte vorgeschaltet werden oder von der Erstellung eines Prototypen abgesehen werden.

  • Wenn das Ziel Doku für die Entwicklung ist → Visuelles Abbilden von Use Cases ist eine tolle Möglichkeit textuelle Dokumentation zu ergänzen und anzureichern, kann sie aber nicht ersetzen

  • Wenn Scoping/Vision des Projektes noch unklar ist → Hier sollten entsprechende Workshops vorgeschaltet werden, um den Fokus zu schärfen

  • Wenn Details abgetestet werden sollen, die den vollen Funktionsumfang eines komplexen Use Cases voraussetzen → Gerade bei Datenoperationen, wie zum Beispiel das freie Anlegen und Löschen von Objekten, sind die Grenzen zwischen Prototyp und echter Anwendung fließend. Hier gilt es sinnhafte Abgrenzungen zu treffen.

  • Wenn die Erwartung besteht, dass der Prototyp bereits einen ersten Entwicklungsschritt darstellt → Auch bei Tools, die entwicklungsnahes Prototyping zulassen, entsteht keine solide Basis für ein neues Produkt. Der Mehrwert eines Prototypen entsteht durch die andere oben genannte Punkte.