„Arbeit attraktiv zu gestalten, ist harte Arbeit“
Fachkräftesituation in der IT-Branche: Ein Interview mit Julia Greitens
Julia Greitens (Chief People & Culture Officer) hatte die Möglichkeit, in der 05/2023 Ruhr Wirtschaft der IHK zu Dortmund, über das spannende Thema „Fachkräftesituation in der IT-Branche“ zu sprechen.
In diesem Beitrag finden Sie einen Auszug aus dem Interview. Zum kompletten Interview geht es hier (Seiten 12-13).
Wie sieht die Fachkräftesituation in der IT-Branche allgemein und bei Ihnen aus?
„In der IT-Branche gibt es schon immer einen Mangel an Fachkräften. Wir sind damit seit unserer Gründung 2006 konfrontiert. Damals noch als kleines Startup im Keller unseres Hauses, konkurrieren wir heute mit großen Playern der Branche. Die punkten mit gigantischen Benefits und extremen Gehältern. Die Lage in Dortmund ist ebenfalls nicht einfach. Zwar gibt es viele IT-Absolventen von FH und Uni, aber eben auch viele IT-Unternehmen. Der Personalbedarf ist daher größer als das Angebot. Man kann diese Situation schlimm finden – oder versuchen, attraktive Angebote zu machen. Das gelingt auch als verhältnismäßig kleines Unternehmen.
Durch sehr viele Maßnahmen haben wir das in den letzten 17 Jahren bewiesen, uns im Bereich „People & Culture“ einen gewissen Ruf erarbeitet und diverse Preise erhalten. Dazu gehören unter anderem er Gründerpreis „Gipfelstürmer NRW“ der Landesregierung, der „familienfreundliche Arbeitgeber“ der Bertelsmann-Stiftung oder das „kununu Top Company“-Siegel.“
Wie macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar?
„Wir befinden uns in der IT schon lange in einem Arbeitnehmermarkt. Die guten Leute müssen sich nirgendwo bewerben, und ihre Ansprüche sind kolossal gestiegen – und zwar nicht nur, was das Gehalt betrifft. Mitarbeitersind außerdem zur „Ware“ geworden. Sie können sich nicht vorstellen, wie wir von Recruitern belagert werden, die an der aktuellen Situation mitverdienen wollen.„
Womit begegnen Sie dem Phänomen?
„Analog zu unserem Ansatz bei der Softwareentwicklung stellen wir auch in unserer Firmenkultur den Menschen in den Mittelpunkt. Daher haben wir schon immer versucht, ein möglichst attraktives Arbeitsumfeld zu bieten. Hier wollen und müssen wir als Mittelständler punkten, um gute Mitarbeiter zu gewinnen. Neben maximal flexiblen Arbeitszeiten bieten wir seit vielen Jahren verschiedenste Benefits.“
Was raten Sie anderen Unternehmen?
„Wichtig ist, sich dem Thema erst einmal aktiv zu stellen. Es ist beispielsweise nicht zeitgemäß, sich über Bewertungsportale wie Kununu aufzuregen oder sie zu ignorieren. Mitarbeiter findet man heute nur, indem man attraktive Angebote macht und sich von Wettbewerbern absetzt. Unternehmen müssen lern- und kritikfähig sein, außerdem immer wieder bereit, sich geänderten Bedürfnissen anzupassen. Das heißt natürlich nicht, dass man sich anbiedern muss. Aus meiner Sicht kann jede Branche kreativ werden. Dafür ist es allerdings wichtig, dass Unternehmen überkommene Denkmuster aufgeben. Ein gutes Beispiel dafür ist die Angst, dass Mitarbeiter im Homeoffice nicht wirklich arbeiten. Unserer Erfahrung nach ist das Gegenteil der Fall, denn Menschen wollen mitgestalten. Was außerdem leider noch immer unterschätzt wird, ist die Tatsache, dass es richtig harte Arbeit ist, Arbeit attraktiv zu gestalten. Das muss sich ändern. Dafür sollte „People-Management“ ein Kernfokus jedes Unternehmens werden.“
Quelle: Industrie- und Handelskammer zu Dortmund